Podcast: Negativzins und Verwahrentgelt - was kann ich machen?

Stand:
Es trägt viele Namen, gemeint ist aber das Gleiche: Verwahrentgelt wird immer häufiger von Kreditinstituten verlangt, wenn der eigene Kontostand eine bestimmte Grenze überschreitet. Dürfen die das überhaupt?
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Was sind Verwahrentgelte überhaupt? Wer muss sie wann bezahlen? Ist das überhaupt legal? Wir beantworten alle Fragen im Podcast.

 

Darum geht es:

Verwahrentgelte

Immer öfter verlangen Kreditinstitute Extragebühren von ihren Kund:innen, wenn ihr Kontostand eine gewisse Grenze überschreitet. Wo diese Grenze liegt, scheint sich von Bank zu Bank zu unterscheiden. Ob sie das überhaupt dürfen, ist noch nicht final geklärt.

 

Diesmal zu Gast:

Andrea Heyer (Verbraucherzentrale Sachsen)

Die Verbraucherzentrale Sachsen setzt sich aktiv dafür ein, dass Verbraucher:innen vor unzulässigen Verwahrentgelten geschützt werden. Andrea Heyer ist dort Expertin und beantwortet unsere Fragen zum Thema.

 

Transkript

 

Ganze Folge zum Nachlesen

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Dorian Lötzer: Nullzinspolitik, Strafzins, Verwahrentgelt – Man hört oft aus allen möglichen Quellen Meinungen über die deutsche und europäische Geldpolitik. Was diese Begriffe wirklich bedeuten und was genau kritisiert wird, ist für mich und viele andere oft nicht wirklich verständlich. „Sparer:innen werden bestraft“ heißt es dann zum Beispiel.

Doch für immer mehr Menschen wird diese vorher unverständliche Diskussion konkret, weil ihre Banken jetzt diese Verwahrentgelte einverlangen wollen. Deswegen habe ich mir für diese Folge zum Ziel gesetzt, zu verstehen, was Verwahrentgelte sind, wen sie betreffen und wie man darauf reagieren sollte.

Mein Name ist Dorian Lötzer. Willkommen bei Genau Genommen.

 

Andrea Heyer: Ja, es gibt ja ganz verschiedene Begriffe wie eben Verwahrentgelt, Negativzinsen, Minuszinsen oder Strafzinsen und man kann feststellen das steht alles für dasselbe Vorgehen von Banken und Sparkassen. Gemeint ist nämlich, dass immer mehr Kreditinstitute Geld von ihren Kunden nehmen, wenn diese bestimmte Beträge auf dem Girokonto, auf dem Tagesgeldkonto oder dem Sparbuch geparkt haben.

Dorian Lötzer: Sprechen tut hier Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. Und sie hat mir erklärt, dass diese Verwahrentgelte Gebühren sind, die Banken von ihren Kund:innen einfordern, sobald deren Kontostand eine gewisse Schwelle überschritten hat.

Andrea Heyer: Also man kann sagen verkehrte Welt. Nicht der Kunde bekommt für sein Geld Zinsen, sondern er muss dafür zahlen (oder sie), dass die Bank sein Geld bekommt. Es werden den Kunden zwar Freibeträge eingeräumt, auf die eben keine Verwahrentgelte erhoben werden, doch diese sind in den letzten Monaten immer weiter gesunken. Und letztlich gibt es auch immer weniger Kreditinstitute, die kein Verwahrentgelt verlangen. Also insgesamt sind es im Privatkundenbereich wohl schon über 550 Institute. Im Firmenkundenbereich sind es noch mehr.

Dorian Lötzer: Verkehrte Welt ist an dieser Stelle ein gutes Stichwort. Traditionell ist es nämlich eigentlich so, dass viele Banken ja Interesse daran hatten, viele Kund:innen zu. Das wurde unter anderem dadurch erreicht, dass diese Kunden dann für das Geld, dass sie bei der Bank lagern, Zinsen bekommen haben. Damit hat die Bank versucht, es attraktiv zu machen, bei ihr ein Konto anzulegen.

Jetzt ist es aber vermehrt so, dass Banken ihre Kund:innen dazu bewegen möchten, für das aufbewahrte Geld zu bezahlen. Also quasi ein 180°-Wechsel. Da frage ich mich: wieso?

Andrea Heyer: Nun die Kreditinstitute begründen das Vorgehen weitgehend ja mit der Politik der Europäischen Zentralbank und der anhaltenden Niedrigzinsphase. Da kann man sicher auch anderer Meinung sein. Die Banken argumentieren konkret damit, sie würden mit dem Verwahrentgelt nur die Kosten an ihre Kunden weiterreichen, welche die Zentralbank von ihnen abverlangt.

Dorian Lötzer: An dieser Stelle möchte ich einwerfen, dass ich die Ursprünge von Verwahrentgelten und die Politik der Europäischen Zentralbank bewusst ausklammere. Wichtig für uns ist aber, dass die Banken argumentieren, dass sie quasi nur Kosten weitergeben, die sie auf einer anderen Ebene bezahlen müssen. Ob das wirklich so stimmt ist ein Streitpunkt in dieser Debatte.

Für uns ist aber festzustellen,

Andrea Heyer: dass seit November 2014 Banken für Beträge ab einer gewissen Höhe Negativzinsen verlangt haben. Das war häufig zuerst in Bezug auf Gewerbekunden oder institutionelle Kunden, aber nach und nach fanden sich dann auch im Privatkundenbereich diese Entgelte ein. Hier war so, dass man zunächst auch sehr hohe Freibeträge, also etwa im sechs- oder siebenstelligen Bereich einräumte und eben nur sehr wenige betroffen waren, weshalb das Thema da noch nicht so öffentlich in der Diskussion war. Aber spätestens seit 2017 trifft es immer mehr Durchschnittskunden und heute auch schon Kleinsparer und leider auch Spendenorganisationen.

Dorian Lötzer: Während also zunächst nur große Firmenkunden von Banken mit sehr hohen Kontoständen von diesen Verwahrentgelten betroffen waren, hat sich der Trend in den letzten Jahren verändert. Pauschalisieren kann man leider nicht, welche Art von Bank dieses Entgelt verlangt und ab welchen Kontostand. Die Spanne ist sehr breit. Nichtsdestotrotz sprechen wir aber nicht von Beträgen in den Millionen oder Hundertausenden, sondern manchmal so „gering“ wie 5.000 Euro.

Und diese Tendenz lassen viele nicht auf sich sitzen. Einige Verbraucherschützer:innen, zum Beispiel, sind nämlich der Meinung, dass diese Art der Erhebung von Verwahrentgelten nicht rechtens ist. Und reichen Klage ein.

Andrea Heyer: Ja, darüber wird momentan heftig gestritten ob Verwahrentgelte rechtens sind oder nicht. Eine Musterfeststellungsklage ist diesbezüglich noch nicht anhängig. Aber mehrere andere Verfahren, so beispielsweise auch von uns als Verbraucherzentrale Sachsen, aber eben auch vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Und man muss feststellen, dass die Rechtsprechung noch nicht einheitlich ist, aber die letzten Entscheidungen insbesondere vom Landgericht Berlin aus dem Jahr 2021 vom Landgericht Düsseldorf, ebenfalls von Ende 21 lassen doch hoffen, dass wir mit unserer Rechtsposition, dass Verwahrentgelte unzulässig sind, durchdringen werden. Aber es scheint noch ein weiter Weg zu sein, weil, wie gesagt, wir haben auch anderslautende Gerichtsentscheidungen, Beispielsweise vom Landgericht Leipzig. Und so wird man davon ausgehen können, dass es wohl auch hier letztlich bis zu einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs kommen wird.

Dorian Lötzer: Aber woher kommt diese Auffassung überhaupt? Sind Banken nicht dazu berechtigt, jegliche Absprachen mit ihren Kund:innen zu treffen?

Andrea Heyer: Eine zunächst erstmal positiv gesprochen: Auch Banken und Sparkassen sind natürlich berechtigt, für ihre Leistungen angemessene Entgelte also Preise zu fordern und zu erheben. Wer ein Girokonto führt, zahlt dafür im Regelfall Kontoführungsgebühren. Und nun meinen die betroffenen Kreditinstitute zusätzlich ein gesondertes Entgelt für die Verwahrung der Kundengelder fordern zu können. Bei der Verwahrung handelt es sich aber gar nicht um eine zusätzlich angebotene Sonderleistung, wie wir meinen und wie auch zuletzt Richter gemeint haben. Die Verwahr-Funktion ist ja dem Girovertrag immanent. Wir sind also der Meinung, dass hier bereits mit den Kontoführungsentgelt der Aufwand abgegolten ist, und es stellt sich demzufolge auch die Frage der Doppel-Bepreisung. Darüber hinaus könnte man natürlich auch die Frage stellen „was verwahren denn die Kreditinstitute?“ Es ist ja hier nicht so, wie beispielsweise bei einem Schließfach, wo Kunden gegebenenfalls auch Noten oder Münzen aufbewahren, sondern es geht ja hier um Buchgeld und da kann man natürlich diese Frage nach der Verwahrung tatsächlich auch einmal aufwerfen.

Dorian Lötzer: Die Frage bezieht sich also darauf, ob es tatsächlich einen angemessenen Grund gibt, diese Verwahrentgelte zu fordern. Diese sind ja Kosten, die zusätzlich zu Kontoführungsgebühren o.ä. verlangt werden. Fraglich ist aber, ob für Zusatzkosten nicht auch eine Zusatzleistung notwendig ist. Der rechtliche Streit ist wie immer kompliziert und wird mit aller Wahrscheinlichkeit auch noch eine Weile andauern. Bis es soweit ist, müssen wir als Verbraucher:innen uns aber entscheiden, wie wir mit Verwahrentgelten umgehen. Denn immer mehr Banken versuchen, diese zu erheben.

Andrea Heyer: Ja, regelmäßig erfahren wir in unserer Verbraucherberatung, dass es so ist, dass die Kreditinstitute, die Banken und Sparkassen also auf ihre Kunden zugehen und ihnen beispielsweise eine Rahmenvereinbarung für die Einführung eines Verwahrentgelts zur Unterzeichnung vorlegen. Viele Kunden, gerade auch Ältere, fühlen sich diesbezüglich auch überrumpelt und schildern, dass sie wenig Zeit gehabt hätten, dies zu prüfen und quasi auch zur Unterschrift gedrungen wurden. Hier kann man nur empfehlen, dass man sich das in aller Ruhe erst auch einmal durchlesen und prüfen und dann entscheiden möchte.

Wir erfahren aber auch in der letzten Zeit, dass in Zusammenhang mit der Einführung der neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Verwahrentgelt quasi mit einer Fußnote auch eingeführt werden sollen. Hier ist die Gefahr, dass Verbraucher das letztendlich gar nicht wahrnehmen, denn wer weiß? Wer in den letzten Wochen diese neuen Geschäftsbedingungen bekommen hat, dass diese sehr umfangreich sind und wenn dann beispielsweise auf Seite 80 etwas im Kleingedruckten zu Verwahrentgelten steht, dann ist die Gefahr, dass Verbraucher das gar nicht wahrnehmen.

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Dorian Lötzer: Gleichzeitig ist es so, dass in beiden Fällen wir als Kund:innen aktiv zustimmen müssen, damit die Verwahrentgelte wirksam erhoben werden können. Wir können nicht dazu gezwungen werden. Im Umkehrschluss heißt das auch, dass wir diesen Entgelten widersprechen können.

Andrea Heyer: Man kann also sagen „Nein, ich möchte diese Rahmenvereinbarung nicht unterzeichnen“ beziehungsweise „nein, ich akzeptiere diese neuen AGB nicht.“ Das heißt, ich stimme ihn nicht aktiv zu. Ja und dann muss man abwarten, wie das Kreditinstitut sich verhält. Wir haben diesbezüglich von Verbrauchern auch schon erfahren, dass es dann zu Kündigung der Geschäftsbeziehung kommt. Darauf müssen sich Verbraucherinnen vorbereiten und gegebenenfalls schauen, wo sie dann hingehen.

Dorian Lötzer: Im schlimmsten Fall kann es also sein, dass unsere Bank uns dann kündigt und wir uns nach einer anderen umschauen müssen. Wie aber schon erwähnt, erheben immer mehr Banken diese Entgelte und es wird schwieriger, Anbieter zu finden, bei denen es nicht so ist. Oft kann man bei Online-Direktbanken diesbezüglich noch Glück haben, weil die keine Filialen haben und dementsprechend weniger Betriebskosten. Ob dass das bessere Angebot für einen ist, muss jeder selbst entscheiden.

Dorian Lötzer: Eine andere Option ist, sich zu überlegen, ob man das betroffene Geld anders aufteilt. Zum Beispiel ginge das, in dem man das Geld, dass über der von der Bank gesetzten Konto-Freigrenze liegt, investiert. Alternativ könnte man das Geld auch auf verschiedene Konten und Banken verteilen. Damit entgeht man vielleicht Kosten, es ist aber auch unter Umständen mit viel Aufwand verbunden.

Andrea Heyer: Ja, Verbraucher wünschen von uns natürlich in der Beratung auch immer wieder Tipps und Ratschläge, wie sie dem Verwahrentgelt umgehen können. Da kann man natürlich sagen, dass man erstmal seine eigene finanzielle Situation beziehungsweise vielleicht auch die Situation in der Familie prüft, ob Möglichkeiten gegebenenfalls bestehen Vermögen auf verschiedene Konten zu verteilen. Dann soll man natürlich auch wirklich prüfen, wieviel würde denn in Euro und Cent ein Verwahrentgelt ausmachen, also dass man nicht im Zweifelsfall mit dem Schinken nach der Wurst wirft?

Dorian Lötzer: Damit meint Andrea Heyer, dass man am besten prüft, ob alternative Lagermethoden, wie zum Beispiel Schließfächer, wirklich billiger sind, als das, was man für die Verwahrentgelte bei der Bank zahlen müsste. Eine andere Ansicht ist, dass man sich auch überlegen sollte, das Geld vom Konto zu investieren. Statt das man also diese Negativzinsen auf das Geld auf dem Konto bezahlt, könnte man durch eine Geldanlage am Aktienmarkt oder einer anderen Investition das Geld vermehren. In jedem Falle ist das aber eine Entscheidung, die jeder individuell für sich treffen muss.

Wenn man aber ausschließt, die Bank zu wechseln oder das Geld anderweitig zu verwahren, bleibt noch die Option der Verhandlung.

Andrea Heyer: Man kann auch immer noch versuchen, je nachdem, um welche Beträge es geht, je nachdem, wie die Kundenbeziehung zum Kreditinstitut gestaltet ist, ob man mit dem Institut verhandeln kann, beispielsweise über die Freigrenze. Also da gibt es kleine hebe kleine Möglichkeiten, aber das große Problem glauben wir muss über die Gerichte geklärt werden.

 

Und das ist auch das Fazit, dass ich aus dieser Folge ziehe. Immer mehr von uns wurden schon oder werden vielleicht bald mit der Entscheidung konfrontiert, ob wir Verwahrentgelte akzeptieren möchten. Ob wir das tun, ist letztendlich natürlich eine persönliche Entscheidung. Alternativen, das eigene Vermögen umzustrukturieren oder die Bank zu wechseln, gibt es immer. Man muss aber abwägen, ob einem selbst die Kosten oder der Aufwand dafür wert sind.

Sicher ist: in dieser Sache werden sich die Verbraucherzentralen weiterhin einsetzen und dafür kämpfen, dass die Gerichte zu Gunsten der Verbraucher:innen entscheiden.

Für weitere Infos zu Verwahrentgelten oder Tipps für die eigene Geldanlage könnt ihr auf verbraucherzentrale.de vorbeischauen. Wenn euch der Podcast gefällt, empfiehlt ihn gerne weiter und abonniert ihn in eurem Lieblingsplayer. Kontaktieren kann man uns über podcast@vz-bln.de

Mein Name ist Dorian Lötzer und heute haben wir Verwahrentgelte genau genommen.

 

Fragen und Kommentare können Sie gerne an podcast@vz-bln.de schicken!

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