Kostenfalle Pflege-WG

Pressemitteilung vom
Pflege-Wohngemeinschaften können ab Pflegegrad 4 deutlich höhere Kosten abrechnen als bei den unteren Pflegegraden. Deshalb empfehlen viele Pflegedienstanbieter, die Pflegebedürftigen möglichst schnell in den Pflegegrad 4 hochstufen zu lassen und verweisen darauf, dass dann die Pflegekasse mehr zahlt. Was sie dabei häufig verschweigen: Der Eigenanteil für die Pflegebedürftigen steigt gleichzeitig auf mehr als das Doppelte, obwohl sich der Pflegeaufwand nur leicht erhöht. In einem Fall stiegen diese Kosten von 1.582,88 EURO auf 3.548,83 EURO.
Frau legt ihre Hände auf die Schulter eines älteren Mannes
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Pascal Bading, Jurist bei der Verbraucherzentrale Berlin, erklärt: „Früher gab es selbstorganisierte Pflege-WGs mit ideellem Anspruch, jetzt ist es vor allem ein kommerzielles Geschäftsmodell geworden. Die WGs müssen weniger Qualitätsanforderungen erfüllen – sie dürfen aber mehr Geld abrechnen als Pflegeheime. Die Verbraucherzentrale Berlin rät Pflegebedürftigen und Angehörigen zu Pflege-WGs: Lassen Sie nicht voreilig den Pflegegrad hochstufen, Sie zahlen sonst unter Umständen mehr als das Doppelte an Eigenanteil.“

Pflegeheim vs. Pflege-WG

Die Kosten für Pflegedienstleistungen und damit auch die von den Pflegebedürftigen zu zahlenden Eigenanteile steigen seit einigen Jahren stark an. Allerdings gibt es dabei erhebliche Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Wohnformen. Vergleicht man Pflege-WGs mit Pflegeheimen, stellt sich heraus, dass die Kostenanteile im Pflegeheim erheblich transparenter und in der Regel deutlich niedriger sind. Dieses Missverhältnis zeigt sich umso deutlicher, je höher der Pflegegrad ist. Das liegt erstens an der mangelnden Kostentransparenz in Pflege-WGs, zweitens am sogenannten Leistungszuschlag der Pflegekassen, von dem nur die Bewohner*innen von Pflegeheimen profitieren, und drittens am sogenannten Leistungskomplex 19a, der nur in Pflege-WGs abgerechnet werden kann.

1. Kostentransparenz

In einem Pflegeheim schließen die Vertragsparteien einen Heimvertrag ab, in dem alle Kosten für die Pflege, die Unterkunft, Verpflegung, Ausbildungsumlage und Investitionskosten enthalten sind. Der Pflegegrad (2-5) hat keinen Einfluss auf den zu leistenden Eigenanteil. In einer Pflege-WG hingegen schließen die Pflegebedürftigen mehrere Verträge ab – mindestens einen Mietvertrag, einen Pflegevertrag und eine Vereinbarung über das Haushaltsgeld. Die Gesamtkostenbelastung beim Vertragsschluss muss eigens errechnet werden.

 

2. Leistungszuschlag im Pflegeheim

Im Pflegeheim sinken mit der steigenden Aufenthaltsdauer der Bewohner*innen die Eigenanteile an den Pflege- und Ausbildungskosten durch den Leistungszuschlag der Pflegekassen. Dieser beträgt 15 Prozent im ersten und 75 Prozent ab dem vierten Jahr. In Pflege-WGs gibt es diesen Leistungszuschlag nicht.

3. „Leistungskomplex 19a“: Berliner Sonderweg

Die Abrechnung ambulanter Pflege, zu der die Pflege-WGs gezählt werden, erfolgt über sogenannte Leistungskomplexe wie beispielsweise die „kleine Körperpflege“, die definierte Pflegeleistungen enthalten. Der Leistungskomplex 19a, der bei der Pflege von Menschen mit Pflegegrad 4 oder 5 in Pflege-WGs abgerechnet werden kann, weicht von diesem Prinzip ab. Statt einzelner erforderlicher Leistungen wird hier eine hohe Tagespauschale abgerechnet, die auch noch regelmäßig erhöht wird. Zurzeit beträgt diese durchschnittlich 186,21 EURO pro Tag – allein für die Pflege. In anderen Bundesländern gibt es keine vergleichbare Regelung. Die Pflegekasse zahlt nach der Hochstufung von Pflegegrad 3 in 4 tatsächlich monatlich 346 EURO mehr Pflegesachleistung. Die Kosten für den Leistungskomplex 19a können aber zu einer Steigerung der Eigenkosten um fast 2.000 EURO führen.

Gutachten zum Pflegegrad

Natürlich kann es angebracht sein, den Pflegegrad von Pflegebedürftigen durch ein neues Gutachten des Medizinischen Dienstes neu einschätzen zu lassen. Angehörige oder Betroffene sollten jedoch genau überlegen, ob ein neues Gutachten wirklich notwendig ist. Ein neues Gutachten kann nur mit Einverständnis der Betroffenen oder rechtlichen Vertretung in Auftrag gegeben werden. Sicher ist: Der Anbieter hat ein wirtschaftliches Interesse, dass mindestens Pflegegrad 4 erreicht wird, um die Pauschale (Leistungskomplex 19a) abrechnen zu können. Deshalb nehmen Pflege-WGs teilweise nur noch Pflegebedürftige ab Pflegegrad 4 auf. 

Die Verbraucherzentrale Berlin rät:

  • Überprüfen Sie, ob eine Pflege-WG für Sie oder Ihre Angehörigen wirklich die beste Wahl ist, auch hinsichtlich der höheren Gesamtkostenbelastung
  • Lassen Sie nicht voreilig den Pflegegrad hochstufen, insbesondere, wenn der Einzug in die Pflege-WG gerade erst erfolgt ist oder wenn das vorangehende Gutachten weniger als ein Jahr zurückliegt
  • Wenn Sie Fragen zu Entgelterhöhungen von Pflegeanbietern haben, lassen Sie sich von der Verbraucherzentrale Berlin beraten. Die Pflegerechtsberatung berät persönlich, telefonisch (030 214 85-260) oder per E-Mail unter pflegerecht@vz-bln.de.
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung wiedergibt.
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