Pascal Bading, Jurist bei der Verbraucherzentrale Berlin, erklärt: „Früher gab es selbstorganisierte Pflege-WGs mit ideellem Anspruch, jetzt ist es vor allem ein kommerzielles Geschäftsmodell geworden. Die WGs müssen weniger Qualitätsanforderungen erfüllen – sie dürfen aber mehr Geld abrechnen als Pflegeheime. Die Verbraucherzentrale Berlin rät Pflegebedürftigen und Angehörigen zu Pflege-WGs: Lassen Sie nicht voreilig den Pflegegrad hochstufen, Sie zahlen sonst unter Umständen mehr als das Doppelte an Eigenanteil.“
Pflegeheim vs. Pflege-WG
1. Kostentransparenz
2. Leistungszuschlag im Pflegeheim
3. „Leistungskomplex 19a“: Berliner Sonderweg
Die Abrechnung ambulanter Pflege, zu der die Pflege-WGs gezählt werden, erfolgt über sogenannte Leistungskomplexe wie beispielsweise die „kleine Körperpflege“, die definierte Pflegeleistungen enthalten. Der Leistungskomplex 19a, der bei der Pflege von Menschen mit Pflegegrad 4 oder 5 in Pflege-WGs abgerechnet werden kann, weicht von diesem Prinzip ab. Statt einzelner erforderlicher Leistungen wird hier eine hohe Tagespauschale abgerechnet, die auch noch regelmäßig erhöht wird. Zurzeit beträgt diese durchschnittlich 186,21 EURO pro Tag – allein für die Pflege. In anderen Bundesländern gibt es keine vergleichbare Regelung. Die Pflegekasse zahlt nach der Hochstufung von Pflegegrad 3 in 4 tatsächlich monatlich 346 EURO mehr Pflegesachleistung. Die Kosten für den Leistungskomplex 19a können aber zu einer Steigerung der Eigenkosten um fast 2.000 EURO führen.
Gutachten zum Pflegegrad
Natürlich kann es angebracht sein, den Pflegegrad von Pflegebedürftigen durch ein neues Gutachten des Medizinischen Dienstes neu einschätzen zu lassen. Angehörige oder Betroffene sollten jedoch genau überlegen, ob ein neues Gutachten wirklich notwendig ist. Ein neues Gutachten kann nur mit Einverständnis der Betroffenen oder rechtlichen Vertretung in Auftrag gegeben werden. Sicher ist: Der Anbieter hat ein wirtschaftliches Interesse, dass mindestens Pflegegrad 4 erreicht wird, um die Pauschale (Leistungskomplex 19a) abrechnen zu können. Deshalb nehmen Pflege-WGs teilweise nur noch Pflegebedürftige ab Pflegegrad 4 auf.
Die Verbraucherzentrale Berlin rät:
- Überprüfen Sie, ob eine Pflege-WG für Sie oder Ihre Angehörigen wirklich die beste Wahl ist, auch hinsichtlich der höheren Gesamtkostenbelastung
- Lassen Sie nicht voreilig den Pflegegrad hochstufen, insbesondere, wenn der Einzug in die Pflege-WG gerade erst erfolgt ist oder wenn das vorangehende Gutachten weniger als ein Jahr zurückliegt
- Wenn Sie Fragen zu Entgelterhöhungen von Pflegeanbietern haben, lassen Sie sich von der Verbraucherzentrale Berlin beraten. Die Pflegerechtsberatung berät persönlich, telefonisch (030 214 85-260) oder per E-Mail unter pflegerecht@vz-bln.de.