Auf Nachfrage gaben 50 Betriebe an, dass mitgebrachte Gefäße befüllt werden können. Das Angebot, kundeneigene Mehrwegbehälter befüllen zu lassen, ist demnach bei vielen Betrieben möglich. Allerdings ist es für Verbraucher*innen schwer, von diesem Angebot Gebrauch zu machen, wenn sie nicht durch Hinweise darüber informiert werden. Die Hinweispflicht muss durch die gastronomischen Betriebe gewährleistet sein, damit Verbraucher*innen das Mehrwegangebot auch in Anspruch nehmen.
Hintergrund
Deutschlandweit fällt täglich tonnenweise Verpackungsmüll durch Einwegverpackungen an. Die Produktion von Einwegverpackungen ist sehr ressourcenintensiv und belastet dadurch die Umwelt. Zudem haben viele Kommunen Probleme, mit dem hohen Müllaufkommen zurechtzukommen, da Abfälle oft nicht ordnungsgemäß entsorgt werden und vielerorts in Parks und auf den Straßen ansammeln. Um die großen Mengen an umweltbelastenden Einwegverpackungen für Take-away-Essen einzudämmen, gilt seit Januar 2023 deutschlandweit in gastronomischen Betrieben eine Mehrwegangebotspflicht. Betriebe, die Einwegkunststoffverpackungen anbieten, sind nunmehr verpflichtet, auch eine Mehrwegalternative anzubieten oder kundeneigene Gefäße zu befüllen. Ob Mehrwegbehältnisse von dem Betrieb angeboten werden müssen, hängt von der Anzahl der Mitarbeitenden (mindestens 5) und der Betriebsgröße (über 80 qm) ab. Ebenfalls Teil des Gesetzes ist die sogenannte Hinweispflicht. Alle gastronomischen Betriebe sind dazu verpflichtet, gut lesbare Informationen über das Mehrwegangebot anzubringen. Dazu zählen Schilder mit den Hinweisen „Die Speisen / Getränke sind in Mehrwegverpackungen erhältlich“ oder „Wir befüllen kundeneigene Mehrweg-Behältnisse“. Ziel des Marktchecks ist es, stichprobenartig herauszufinden, inwieweit gastronomische Betriebe in Berlin der geltenden Mehrwegangebotspflicht ein Jahr nach der Einführung der neuen Regelung nachkommen.
Vorgehen
Im Rahmen des Marktchecks wurden gastronomische Betriebe in Berlin auf die Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht untersucht. Dafür wurden im Zeitraum von Januar bis Februar 2024 stichprobenartig insgesamt 60 Betriebe besucht. Diese Betriebe verteilten sich auf alle Berliner Bezirke. In jedem Bezirk wurden fünf Betriebe besucht. Darunter befanden sich überwiegend Restaurants, aber auch Imbisse und Bäckereien. Die Betriebe wurden willkürlich ausgewählt. Betriebe, bei denen zum Zeitpunkt der Erhebung bereits bekannt war, ob sie der Mehrwegangebotspflicht nachkommen oder nicht, waren von der Erhebung ausgeschlossen. Die Voraussetzung für das Angebot eines Mehrwegsystems (≥ 5 Mitarbeitende, > 80 qm) konnte im Rahmen des Marktchecks nicht exakt ermittelt werden. In den gastronomischen Betrieben wurde insbesondere auf Schilder geachtet oder auf Hinweise auf der Speisekarte, die auf das Mehrwegangebot oder auf das Befüllen der kundeneigenen Behältnisse aufmerksam machen sollen. Bei fehlenden Hinweisschildern wurde beim Personal nach dem Mehrwegangebot gefragt. Wurde keine Mehrwegoption angeboten, so wurde zusätzlich nach der Möglichkeit gefragt, ob das Essen in selbstmitgebrachte Gefäße umgefüllt werden kann.
Ergebnisse
Der Marktcheck zeigt, dass es noch viel Optimierungsbedarf bei der Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht gibt. Lediglich neun der 60 Betriebe (15 Prozent) bieten eine Mehrwegalternative an. Sechs davon nutzen Pool-Mehrwegsysteme wie Vytal und ReBowl. Drei Betriebe haben eigene Mehrwegsysteme etabliert. Im Rahmen dieses Marktchecks kann nicht überprüft werden, ob auch andere Betriebe auf Grund ihrer Größe und Mitarbeitendenzahl zu einem eigenen Mehrwegangebot verpflichtet wären.
In 54 von 60 Betrieben gab es keinen Hinweis auf die Mehrwegalternative (Mehrwegboxen oder kundeneigene Gefäße befüllbar). Von den sechs Betrieben, die einen Hinweis sichtbar angebracht haben, sind zwei mit einem Klebesticker des jeweiligen Poolanbieters an der Eingangstür ausgestattet. Dieser Hinweis ist aus Sicht der Verbraucherzentrale Berlin nicht ausreichend, da Kund*innen ohne Kenntnis des Poolanbieters das Angebot nicht verstehen: Der Sticker könnte als Werbung für einen weiteren Lieferservice missverstanden werden. Nur bei vier von 60 überprüften Betrieben wurde die Hinweispflicht ausreichend umgesetzt.
Einen Ausdruck mit Informationen zur Mehrwegoption an einer gut sichtbaren Stelle anzubringen, ist ohne hohe Kosten und Aufwand für jeden gastronomischen Betrieb umsetzbar. Dass die für den Marktcheck besuchten gastronomischen Betriebe auch ein Jahr nach Einführung selbst diesen niedrigschwelligen Teil der neuen Regelung derart mangelhaft umsetzen, ist nicht nachvollziehbar.
Um Anreize für Kund*innen zu schaffen, die Mehrwegalternativen häufiger zu nutzen, sind attraktive Anschauungsmaterialien und finanzielle Vergünstigungen sinnvoll. Von den besuchten Betrieben, die Mehrwegboxen anbieten, hat nur ein Betrieb ein Anschauungsbeispiel auf der Theke ausgestellt. Keiner der getesteten Betriebe bietet das Essen in Mehrweg- oder mitgebrachten Gefäßen zu einem vergünstigten Preis an oder bietet einen zusätzlichen Anreiz (Stempelkarte o.ä.) für die Wahl der Mehrwegvariante an. Darüber hinaus waren Mitarbeitende in 38 Betrieben nicht ausreichend über die Mehrwegangebotspflicht informiert. Vermehrt mussten andere Mitarbeiter*innen zusätzlich befragt werden, die dann Auskunft geben konnten. Eine Schulung der Mitarbeitenden zur konkreten Umsetzung der Mehrwegangebotspflicht ist Voraussetzung, dass Kund*innen diese nutzen können. Häufig gab es Sprachbarrieren, welche die Verständigung erschwerten. In einigen Fällen wurden auch die Einweg-Produkte als Mehrwegvariante angeboten. Dies ist jedoch aus Sicht der Lebensmittelsicherheit kritisch zu bewerten, da nicht klar ist, ob die Beschaffenheit des jeweiligen Materials für die Spülmaschine geeignet ist. Zu hohe Temperaturen oder Spülmittel könnten dazu führen, dass sich aus den Einwegverpackungen Stoffe lösen, die bei der Wiederverwendung ins Essen gelangen und damit die Lebensmittelsicherheit beeinträchtigen.
Fazit & Forderungen
- Umsetzung der geltenden Auflagen durch die gastronomischen Betriebe:
Das Gesetz zur Mehrwegangebotspflicht gilt seit mehr als einem Jahr. Gastronomische Betriebe müssen das Gesetz endlich effektiv im Sinne des Umweltschutzes umsetzen. Es gibt bereits gute Leitfäden, z. B. vom Umweltbundesamt, die genau erklären, wie eine Umsetzung möglich ist. Hinweise müssen im Sinne des Gesetzes gut sichtbar angebracht werden, um Verbraucher*innen über die Möglichkeit des Erwerbs von Speisen und Getränken in Mehrwegverpackungen zu informieren.
- Positive Anreize setzen und Rückgabeinfrastruktur verbessern:
Werden die Auflagen umgesetzt, muss gewährleistet sein, dass die Verbraucher*innen sich ohne Aufwand für das Mehrwegangebot entscheiden und dieses auch auf unkomplizierte Weise zurückgeben können. Gastronomische Betriebe sollen dazu angehalten werden, Verbraucher*innen bei jeder Außer-Haus-Bestellung aktiv auf die Mehrwegoption hinzuweisen. Über diese Mindestanforderung hinaus sollten zusätzliche Anreize wie Rabatte oder Stempelkarten genutzt werden, um das Mehrwegangebot attraktiv zu machen. Außerdem ist eine verbesserte Rückgabeinfrastruktur erforderlich, die bspw. Supermärkte miteinbezieht und so das Rückgabesystem für Verbraucher*innen bequemer macht.
- Kontrollen und Maßnahmen:
Damit Verbraucher*innen zukünftig flächendeckend die Wahl zwischen Einweg- und Mehrverpackungen haben, sind regelmäßige Kontrollen unerlässlich. Die Zuständigkeiten müssen abschließend geklärt und im Anschluss flächendeckende Kontrollen durchgeführt werden. Bei Verstößen müssen ggf. Maßnahmen erlassen werden, damit das Gesetz endlich seine Wirkung für den Ressourcenschutz entfalten und dazu beitragen kann, dass das Müllaufkommen in Berlin sinkt.
- Aufklärung durch zuständige Behörden:
Abseits des Marktchecks zeigten sich einzelne positive Beispiele, z. B. die Vorlage eines Hinweisschildes vom Bezirksamt Mitte. Solche Maßnahmen erleichtern gastronomischen Betrieben die Umsetzung und sollten in ganz Berlin umgesetzt werden.
- Ausweitung des Gesetzes auf andere Einwegverpackungen (Aluminium, Pappe):
Wenn Betriebe Papp- anstatt Plastikboxen für das Essen To-Go anbieten, sind sie gesetzlich von der Mehrwegangebotspflicht befreit. Aus Sicht der Verbraucherzentrale sind Einwegverpackungen aus Pappe keine akzeptable Alternative, da sie nicht wiederverwertbar, ressourcenintensiv und teilweise nicht recycelbar sind. Durch den Einsatz von Papier, Karton oder Alufolie umgehen Betriebe vielmehr die Mehrwegpflicht. Die Politik sollte demnach das Verpackungsgesetz deutlich verschärfen, um umweltfreundliche Lösungen zu fördern.